Als Individuen in unserer modernen Gesellschaft haben wir sehr hohe Erwartungen an unsere Selbstwirksamkeit. Einfacher gesagt: Wenn wir etwas erreichen wollen, dann gehen wir das an und gehen davon aus, das wir es auch erreichen. Wenn etwas «falsch» läuft, unseren Erwartungen nicht entspricht, dann ändern wir das eben, damit es «richtig» läuft. Wenn es dann noch immer nicht läuft, dann ist etwas mit mir oder der Welt scheinbar nicht in Ordnung.
Zur Zeit wird diese Vorstellung durch die multimedialen Kanäle die uns seit geraumer Zeit zur Verfügung stehen extrem verstärkt. In Hochglanz Beiträgen erzählt man uns, natürlich durch super aussehende und erfolgreiche Influenzer, wie die perfekte Selbstoptimierung und Selbstwirksamkeit funktioniert und wie viel Erfolg und Wirksamkeit damit zu erwarten ist. Sie liefern auch noch genaue Anleitungen und Techniken zur Manifestation des gewünschten mit. Schön und gut.
Doch genau diese Erfahrungen machen sehr viele Menschen eben gerade nicht! Vielmehr wird oft Ohnmacht, Perspektivlosigkeit und Hilflosigkeit erfahren. Momentan scheint nur noch wenig sicher oder planbar zu sein. Das war noch vor 2 Generationen anders.
Es schleicht sich bei den vielen vergeblichen Versuchen das gewünschte Ziel zu manifestieren langsam ein Gefühl der Ohnmacht und Sinnlosigkeit und auch der eigenen Unfähigkeit oder Minderwertigkeit ein.
Man sieht doch die vielen Menschen im Internet, die mit diesen Methoden des Wünschens oder der Manifestation erfolgreich sind – warum gelingt mir das also nicht?
Was ist mit mir falsch, das das einfach nicht funktionieren will, selbst nachdem ich einen Powerworkshop für € 2500,- mitgemacht habe. Muss ich einfach noch mehr Workshops besuchen? Welche Technik beherrsche ich da nicht?
Wenn ich das betrachte, dann sehe ich, das wir leider immer noch schwach darin sind, die Natur unserer Gedanken und unseres Geistes zu durchdringen, zu erkennen.
Wir lernen in unserem Leben den Körper zu heilen und auch unser Herz zu heilen. Verletzungen des Körpers oder des Herzens können durch Achtsamkeit vermieden, verringert oder, falls sie dennoch geschehen, geheilt werden. Darin sind wir in unserer heutigen Gesellschaft inzwischen deutlich besser geworden. Achtsamkeit führt auch dazu, das wir Rhythmen wieder wahrnehmen. Die in uns und auch die außerhalb von uns. Durch eine geschulte Achtsamkeit erlernen wir unsere Bedürfnisse, unsere Gefühle und auch unsere Intuition zu beachten, zu integrieren und uns zu Nutze zu machen.
Doch während einer Meditation können die meisten von uns beobachten, wie Gedanken durch unseren Geist ziehen, wie sie sich scheinbar völlig unserer Kontrolle entziehen und einfach machen was sie wollen. Wir treiben in solchen Zeiten oft in einem Meer aus Erinnerungen, Erwartungen, Beurteilungen, Versäumnissen, Bedauern, Befürchtungen was die Zukunft betrifft und so weiter. Scheinbar sind wir diesem Chaos hilflos ausgeliefert. Wir können dort alles finden: von den heiligsten Gedanken bis zu den tiefsten Abgründen des Denkens. Wir finden dort den Heiligen, den Selbstlosen, den Liebenden aber auch den Diktator, den Mörder, den Egoisten. Wir machen dort Pläne zur Weltrettung und zu ihrem Untergang.
Kurzum es findet sich dort Licht und Dunkelheit zugleich. Und alles entzieht sich unserer Kontrolle.
Es ist ein Bereich in uns der von ständiger Unzufriedenheit geprägt ist. Wir wollen einerseits das Eine und andererseits das Andere. Wir wollen endlosen Frieden und dann doch auch Spaß, Vergnügen, Spannung und Action. Wir wollen einerseits allein sein und doch nicht allein sein. Wir wollen führen und dann doch geführt werden. Kurzum eine ständige Zerrissenheit, die sich nicht so leicht auflösen lässt.
Dies führt oft dazu, das wir anstatt etwas in aller Ruhe und bis zu seinem Ende durch zu denken durch viele teils bewusste, teils unbewusste Prozesse getrieben werden, an statt in uns zu ruhen.
Gleichzeitig treiben uns Erinnerungen an unsere Erfolge oder Misserfolge von einem Gedanken zum nächsten.
Diese dualistische Natur der Gedanken ist eine Wurzel unseres Leids. Solange wir uns als Individuum, als getrennt von allem Anderen (in unseren Gedanken) erfahren, solange bleiben wir defensiv, angsterfüllt, vorurteilsvoll, zwiegespalten und stark territorial abgrenzend. Wir neigen dadurch auch dazu uns mit Dingen, mit unserem Besitz oder auch unserem Beruf zu identifizieren, aber nicht mit uns selbst.
Bei meinen Erfahrungen mit längeren Meditationen gepaart mit tagelangem Schweigen habe ich erfahren, wie verunsichert ich plötzlich war als ich all das erfahren und erleben musste. Gepaart mit der Erkenntnis das ich nicht die geringste Ahnung davon hatte wer ich wirklich war und wie ich da jemals wieder herauskommen sollte, hatte ich einfach nur Angst. Angst den Boden unter den Füßen zu verlieren, Angst nicht mehr zu wissen wer ich bin, oder was ich bin. Gleichzeitig entstanden Gefühle von Sinnlosigkeit und extremer Hilflosigkeit. Ich erfuhr, das meine Sicherheit in der ich bis dahin lebte nur Trug war. Mich diesen Gefühlen und Erkenntnissen zu stellen war aber auch gleichzeitig der Beginn einer wunderbaren Heilung – des Geistes.
Zum einen habe ich erkannt, das ich meine Gedanken mit mehr Achtsamkeit begegnen muss. Ich muss sie mehr lenken und zwar in eine konstruktive und liebevollere Richtung. Ich begann die Dinge immer mehr von allen Seiten zu betrachten, zu durchdenken. Dabei entwickelte ich etwas, das ich natürlichen Respekt genannt habe. Das meint, das ich nach und nach erkannte das alles um uns herum und in uns sinnerfüllt ist und nichts ohne Sinn ist – auch wenn dieser mir manchmal lange verborgen bleibt.
Dadurch verschob sich meine gesamte Werteskala immer weiter, bis sie sich nach und nach auflöste.
Das fühlte sich anfangs gefährlich an, entpuppte sich aber später als eine der größten Freiheiten meines neuen Lebens.
Bei diesen Veränderungen halfen mir bestimmte Meditationen und auch Mantren, die ich immer in jeder Situation des Alltags nutzen konnte.
Dennoch scheinen die Gedanken irgendwie ein Eigenleben zu besitzen. Egal wie oft ich korrigierend eingriff und wie weit ich schon gekommen war, immer wieder geschah es, das die Gedanken ihre eigenen, oft destruktiven Wege gingen bevor ich es bemerkte. Es schien ein völlig aussichtsloser Weg zu sein.
Bis ich eines begriff: Ich bin nicht was ich denke! Aber ich kann zu dem werden was ich denke – und darin liegt die Gefahr meines Denkens.
In dem Moment in dem ich mich von meinen Gedanken distanzierte, eine Schritt zurück ging, sie mit Distanz betrachtete, hatten die Gedanken ihre Wirksamkeit auf mich eingebüßt. Gleichzeitig begann etwas in mir zu wachsen das mich glücklich machte. Das Gefühl nicht mehr getrennt zu sein! Das Gefühl einer Einheit mit einfach allem was ist. Daraus wiederum erwuchs eine Geborgenheit und Sicherheit, die mich erleben lässt das alles was ist, genau so ist, wie es sein soll – das ich so bin wie ich sein soll! Kein Grund zu Kritik, keine Angst vor Versagen, keine Angst nicht geliebt zu werden.
Mein Herz begann sich stärker zu aktivieren als es jemals der Fall war und ich fühlte mein Zentrum, mein Sein im Zentrum meines Herzens. Ich erkannte fortan etwas in allem, das ich die Wesens Essenz genannt habe. Alles um mich herum besitzt diese Essenz. Bei den meisten Menschen ist sie aber leider verborgen, teils bewusst und teils offensichtlich unbewusst. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, das die Menschen sehr extrem reagieren können, wenn sie erkennen oder nur befürchten, das jemand ihre Wesens Essenz wahrnehmen könnte. Ich lernte das einfach in seiner Schönheit zu betrachten, es aber nicht unbedingt mitzuteilen.
Nun darf man sich nicht vorstellen, das dies das Ende sei. Es ist ein Anfang – Rückfälle kürzerer Art oder längere durchaus eingeschlossen. Doch als ich erst einmal diesen Mechanismus verstanden und verinnerlicht hatte, konnte ich frei wechseln. Geschah einmal ein Rückfall konnte ich kurzerhand wieder zurück. Zurück in einen Stillen mit Liebe erfüllten Geist, der mir Kraft und Richtung gibt.
Durch diese Art zu leben wurde mir dann auch klar warum das „große Ding“ mit der Manifestation, dem Wünschen und der Selbstwirksamkeit nur in einem eingeschränkten Maße funktioniert.
Die meisten Dinge die geschehen, ob sie mir gefallen oder nicht, liegen gar nicht in meiner Verantwortung, ob mir das nun gefällt oder auch nicht. Was aber nicht in meiner Verantwortung liegt, das kann ich auch nicht ändern, egal wie intensiv ich es wünsche oder versuche zu manifestieren. Die meisten Dinge die um mich herum geschehen haben nur wenig oder gar nichts mit mir zu tun.
Hier liegt eine Arroganz und Egozentrierung des Denkens vor, die mit der Wirklichkeit, wie ich sie erlebe wenig zu tun hat. Ich meine, das wir die buddhistische Lehre der Demut sehr dringend nötig hätten. Denn im buddhistischen Sinne Demut lehrt uns, genau den Platz in der Einheit, im Sein einzunehmen der uns zusteht.
Was an dieser neuen Art zu leben für mich völlig begeisternd ist: es macht mir nichts aus etwas nicht ändern zu können! Ich erlebe mich dennoch nicht hilflos oder ausgeliefert, sondern eingebettet und geborgen. Ganz aus mir selbst heraus. Ich kann heute sehr viel besser unterscheiden, was meine Verantwortung ist und was nicht und dem entsprechend zu fühlen, zu denken, zu sprechen und zu handeln.
Ein anderer Aspekt der sich mir daraus erschließt, ist die unglaubliche kreative Kraft die in unserem Denken, in unserem Geist liegt. Meist liegt sie unbenutzt brach oder wird dazu unbewusst missbraucht sich in der Getrenntheit zu belassen.
Ich denke oft daran, was alles möglich wäre wenn eine genügend große Anzahl von Menschen aus dieser Art zu sein, zu denken austreten würde und ihre Gedanken und ihren Geist in eine andere Richtung lenken würden, welche Einheit, Respekt, Gleichberechtigung und Liebe zu allem was da ist, als Zentrale Ankerpunkte des Seins machen würden!
Ich freue mich schon mal darauf.